Basel II

Basel II
von Professor Dr. Dr.h.c. Henner Schierenbeck
I. Historische Entwicklung
Die seit 1988 geltende und seither mehrfach ergänzte Eigenkapitalvereinbarung (Basel I) soll durch die neue Eigenkapitalvereinbarung (Basel II) ersetzt werden, welche in Form des im April 2003 veröffentlichten dritten Konsultationspapiers vorliegt. Dieser Schritt soll nach derzeitiger Planung im Jahr 2007 vollzogen werden.
II. 3-Säulen-Konzept zur Neuregelung der Eigenkapitalvereinbarung
In der neuen Eigenkapitalvereinbarung sollen die Empfehlungen des Basler Ausschusses ein umfassendes Fundament in Form dreier Pfeiler erhalten.
1. Mindesteigenmittelanforderungen
Der erste Pfeiler wird in die drei Problemkreise „Definition des Eigenmittelbegriffs“, „Messung des Risikopotenzials“ und „Verhältnis Risikopotenzial/Eigenmittel“ unterteilt. Die Eigenmittel-Begriffsdefinitionen bleiben, wie auch das einzuhaltende Verhältnis zwischen Risikopotential und Eigenmitteln, praktisch unverändert. Während sich bei der Messung des Marktrisikos gegenüber den Anpassungen des Jahres 1996 keine Veränderungen ergeben, wird hinsichtlich des Kreditrisikos eine Neukonzeption der Risikogewichtungsschematik postuliert, die sich näher am tatsächlichen Ausfallrisiko orientiert. Ausserdem erfolgen neu Vorschläge zur Messung des Potenzials operationeller Risiken.
Marktrisiken: Bei der Marktrisikomessung kann zwischen dem Standardansatz sowie dem internen Modellansatz unterschieden werden. Dabei sollen nach Überzeugung des Basler Ausschusses in Zukunft vornehmlich interne Modellansätze Anwendung finden.
Kreditrisiken: Als einfachster Ansatz zur Messung der Kreditrisiken kann auf einen Standardansatz zurückgegriffen werden. Je schlechter bei diesem die Bonität eines Kreditnehmers durch anerkannte Ratingagenturen eingestuft wird, desto höher ist grundsätzlich die Eigenmittelanforderung. Für Kredite ohne Rating – worunter auch grundsätzlich Privatkundenkredite fallen – werden Risikogewichte angesetzt, die jenen von Unternehmen entsprechen, welche von Standard&Poor's im Bereich zwischen BBB+ und BB– geratet wurden. Dies ist insofern kritisch, dass somit für Unternehmen mit einer Bonität im Bereich zwischen BBB+ und BB– kein Anreiz für ein externes Rating besteht und ein vorhandenes Rating für Unternehmen welche schlechter als BB– geratet wurden, sogar mit höheren Risikogewichten verbunden wäre. Daten bankinterner Modelle finden beim Standardansatz grundsätzlich keine Verwendung.
Anders verhält es sich beim internen Rating-Basisansatz und beim fortgeschrittenen internen Rating-Ansatz. Während die Bank bei ersterem lediglich die Ausfallwahrscheinlichkeit eines Engagements selbst schätzt und die restlichen standardisierten Parameter vom Basler Ausschuss übernimmt, werden bei letzterem sämtliche Parameter selbst geschätzt. Als Anreiz zur Verwendung eigener Schätzungen soll insgesamt die Aussicht auf eine damit verbundene Verminderung der anzurechnenden Risikoaktiva dienen.
Operationelle Risiken: Zur Messung operationeller Risiken kann auf drei Ansätze zurückgegriffen werden. Als einfachster Ansatz ist der Basisindikatoransatz postuliert, welcher die Eigenmittelunterlegung anhand eines einzelnen Faktors – vorgeschlagen wird derzeit der Bruttoertrag, welcher aber als Risikoindikator als äußerst problematisch anzusehen ist – ermittelt. Beim Standardansatz wird bei gleichem Grundgedanken der Bruttoertrag der einzelnen Geschäftsfelder mit differenzierten, vom Ausschuss festgelegten Faktoren multipliziert. Für die Anwendung eines internen Modellansatzes muss die Bank schliesslich in der Lage sein, ihr Exposure gegenüber operationellen Risiken bezüglich der einzelnen Aktivitäten, Prozesse, Produkte und Systeme zu identifizieren sowie zu aggregieren.
2. Aufsichtsrechtlicher Überprüfungsprozess
Der aufsichtsrechtliche Überprüfungsprozess stellt eine wesentliche Neuerung bei der Eigenkapitalvereinbarung nach Basel II dar. Er unterstreicht die Notwendigkeit des Aufbaus einer funktionstüchtigen Gesamtbanksteuerung und eines internen Eigenmittelmanagements. Die Basis wird durch vier Grundsätze gelegt, welche letztlich sehr weitreichende Informationsrechte und vielfältige Eingriffsmöglichkeiten in die Unternehmenspolitik einer Bank manifestieren.
Der erste Grundsatz besagt, dass Banken über ein Verfahren zur Beurteilung ihrer angemessenen Eigenkapitalausstattung im Verhältnis zu ihrem Risikoprofil sowie eine Strategie für den Erhalt ihres Eigenkapitalniveaus aufweisen sollten.
Laut zweitem Grundsatz sollten die Aufsichtsinstanzen die bankinternen Beurteilungen und Strategien zur angemessenen Eigenkapitalausstattung überprüfen und bewerten.
Durch den dritten Grundsatz soll den Aufsichtsinstanzen die Möglichkeit gegeben werden, von den Banken eine höhere als die Mindesteigenkapitalausstattung zu fordern. Gleichzeitig sollte von den Banken erwartet werden, dass diese eine höhere Eigenkapitalausstattung vorhalten, als dies aufsichtsrechtlich gefordert wird.
Der vierte Grundsatz nennt schliesslich die Eingriffsmittel, welche den Aufsichtsinstanzen für ein frühzeitiges Intervenieren zur Verfügung stehen. Somit soll verhindert werden, dass das Eigenkapital unter die geforderte Mindestausstattung fällt.
3. Kontrolle durch den Markt
Als dritter Pfeiler dienen Offenlegungsvorschriften. Diese sollen eine komplementäre Nutzung der Marktmechanismen für bankaufsichtliche Ziele ermöglichen. Der Absicht liegt die Überlegung zugrunde, dass gut informierte Marktteilnehmer eine risikobewusste Geschäftsführung und ein wirksames Risikomanagement von Banken in ihren Anlage- und Kreditentscheidungen honorieren oder aber risikoreiches Verhalten entsprechend sanktionieren.
Um eine solche Marktdisziplin zu erreichen und den Interessen sowohl der Banken als auch der Marktteilnehmer gerecht zu werden, wurde ein flexibles Konzept erarbeitet. So können beispielsweise Banken mit regionaler und/oder geschäftlicher Begrenzung, die ein stabiles Risikoprofil aufweisen, eine jährliche Berichterstattung praktizieren, während grundsätzlich eine halbjährliche Veröffentlichung der vorgegebenen Berichtspunkte empfohlen wird. Auch die Unterscheidung nach zentralen und ergänzenden Informationen erlaubt eine Berichterstattung in Abhängigkeit vom eingegangenen Risikoprofil. Lediglich von großen, international tätigen Banken wird das volle Spektrum an Offenlegung erwartet.
III. Kritische Würdigung
Insgesamt ist die neue Eigenkapitalvereinbarung (Basel II) positiv zu beurteilen. Obgleich der zunehmende Verwaltungsaufwand und die damit verbundene Bürokratisierung kritisch gesehen werden muss, überwiegen positive Aspekte. Dies u.a., da eine stärkere Angleichung der externen Eigenmittelforderung an die interne Risikokapitalallokation gelingt. Des Weiteren werden gerade kleinere Institute, aber auch die mittelständischen Firmenkunden, welche sich einem Ratingprozess unterziehen müssen, für Risiken sensibilisiert und zu einer risikoadäquaten Geschäftspolitik gezwungen.
Literatur: Basler Ausschuss, Eigenkapitalunterlegung des Marktrisikos auf Basis interner Modelle, Basel 1995; Basler Ausschuss, Überblick über die Änderung der Eigenkapitalvereinbarung zur Einbeziehung von Marktrisiken, Basel 1996; Basler Ausschuss, Consultative Document, Basel 2003; Deutsche Bundesbank, Die neue Baseler Eigenkapitalvereinbarung (Basel II), in: Deutsche Bundesbank Monatsbericht April 2001; Schierenbeck, H., Ertragsorientiertes Bankmanagement, 8. Aufl., Wiesbaden 2003; Schulte-Mattler, H., Basel II: Das Dritte Konsultationspapier (CP3), in: Die Bank 2003; Wilkens/ Entrop/ Völker, Strukturen und Methoden von Basel II – Grundlegende Veränderungen der Bankenaufsicht, in: ZfgK 2001, S. 37–43. Literatursuche zu "Basel II" auf www.gabler.de

Lexikon der Economics. 2013.

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